Der Ukrainekrieg
Der 24. Februar 2022 veränderte alles: Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine herrschte plötzlich wieder Krieg im Herzen Europas. Bis dahin glaubte ich mit z.B. der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, der Griechenlandkrise 2012, der Flüchtlingskrise 2015 und der Corona-Pandemie 2020/2021 mit den bis dahin unvorstellbaren finanziellen, wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftspolitischen Auswirkungen im Haushaltsausschuss bereits die größten Herausforderungen in Regierungsverantwortung im Bundestag erlebt zu haben. Doch mit dem Überfall Putins auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde die „frisch“ gewählte Bundesregierung – damals erst 81 Tage (!) im Amt – vor Probleme gestellt, deren Lösungen – auch finanziell – jede bislang bekannte Dimension übersteigen und die unter größtem zeitlichem Druck entschieden und umgesetzt werden mussten.
Fakt ist, dass Deutschland bislang im Verhältnis zu anderen Industrienationen weltweit alle Krisen der letzten 14 Jahre wirtschaftlich stark und sozial stabil bestanden hat, aber der Ukraine-Krieg und seine globalen Folgen verändern unsere Politik nicht nur temporär, sondern national und international auf Dauer. Für uns in der Regierung und im Bundestag war ab da an sofort klar: Wir werden der Ukraine nicht nur militärisch, sondern auch humanitär, entwicklungspolitisch, finanziell und diplomatisch helfen und sind seitdem in dieser schweren Zeit der zweitgrößte Unterstützer unter allen Nationen weltweit nach den USA. Das wissen die Ukrainerinnen und Ukrainer übrigens auch ganz genau – wie mir Ende Oktober im Rahmen der Delegationsreise des Haushaltsausschusses in die Ukraine (und nach Moldau) von vielen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, Verantwortlichen, Helfenden und Flüchtlingen immer wieder bestätigt wurde.
Nur drei Tage nach Putins Überfall auf die Ukraine kam der Bundestag – sehr ungewöhnlich an einem Sonntag – am 27. Februar 2022 zu einer Sondersitzung zusammen und Olaf Scholz sprach als Bundeskanzler, abgestimmt mit den Kabinettsmitgliedern von Grünen und FDP, erstmals von der „Zeitenwende“ und dem mutigen Kursschwenk der Ampel-Regierung mit der Ankündigung von Waffenlieferungen zur Unterstützung im Kampf gegen die russischen Truppen (1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Fliegerabwehrraketen vom Typ „Stinger“) sowie einem 100-Mrd.-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr für dringend benötigte Ausrüstung. Dieser „Kursschwenk“ der Bundesregierung war richtig, aber dennoch spektakulär, denn Grundsatz ist eben eigentlich seit Jahrzehnten für jede deutsche Bundesregierung und für jeden Deutschen Bundestag, dass keine Kriegswaffen in Kriegs- und Krisengebiete geliefert werden. Dieser historische Kurswechsel der Bundesregierung auf Initiative von Olaf Scholz ist bei unseren europäischen Nachbarn ebenso wie bei unseren westlichen Verbündeten mit großer Überraschung und viel Respekt aufgenommen worden, denn ein so entschlossenes Handeln ist man eigentlich nicht von deutschen Bundesregierungen gewohnt.
Trotzdem befeuerten die Medien und einige Politikerinnen und Politiker im Bundestag sowie in Osteuropa anschließend monatelang die Vorwürfe, dass Olaf Scholz (angeblich!) in der militärischen Unterstützung Deutschlands „zu zögerlich“ und nicht weitreichend genug gewesen sei – beides war und ist falsch. Fakt ist allerdings, dass wir uns nicht als „Anführer Europas“ aufführen und nicht mit irgendwelchen Handlungen „vorpreschen“ wollen, sondern mit unseren Partnern in Europa und in der Nato gemeinsam überlegen, uns eng abstimmen, um dann entschlossen zu handeln – das gilt bei der Lieferung von Militärgütern ebenso wie bei Sanktionen gegen Russland. Besonders intensiv ist dabei die enge Abstimmung von Olaf Scholz nicht nur mit den europäischen Nachbarn und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, sondern vor allem mit Präsident Joe Biden in den USA. Das wurde besonders deutlich, als alle gemeinsam als „Allianz“ nach langen Verhandlungen ein „Paket“ von Panzerlieferungen zugesagt haben, das alle Partnerländer einschließt.
Die Mittel des Ertüchtigungstitels für die Ukraine belaufen sich auf insgesamt rund 5,4 Milliarden Euro für das Jahr 2023 (nach 2 Milliarden Euro im Jahr 2022) zzgl. Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre in Höhe von rund 10,5 Milliarden Euro. Diese Mittel sollen vornehmlich für militärischen Unterstützung der Ukraine eingesetzt werden. Eine Liste über das an die Ukraine gelieferte Material kann HIER eingesehen (externer Link Bundesregierung).
Wir sind damit nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine weltweit und brauchen uns wahrlich nicht zu „verstecken“. Mich hat 2022 der mediale „Hype“ um (angeblich) fehlende Waffenlieferungen aus Deutschland wahnsinnig genervt – in gefühlt jeder Talkshow im deutschen Fernsehen ging es maßgeblich nur noch um (fehlende) Panzer. Dabei wurde regelmäßig verschwiegen, dass der Bundeswehretat ab 2010 in der Merkel-Regierung mit der FDP von CSUVerteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg um sagenhafte 8 Mrd. Euro GEKÜRZT wurde – seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen hat zwar dreistellige Millionenbeträge in die Sanierung der „Gorch Fock“ gesteckt und Annegret Kramp-Karrenbauer wollte als CDUVerteidigungsministerin allen Ernstes einen deutschen Flugzeugträger in Auftrag geben – aber um die maroden Bestände von Heer und Luftwaffe haben sich beide eher nicht gekümmert. Der Bundeswehretat, der 2017 unter CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble noch bei ca. 37 Mrd. Euro pro Jahr lag, wuchs unter Finanzminister Olaf Scholz bis 2021 kontinuierlich auf 50 Mrd. Euro pro Jahr auf – ansonsten wäre es um die Ausstattung unserer Soldatinnen und Soldaten heute noch wesentlich schlimmer bestellt. Aber das Olaf-Scholz-Bashing hatte 2022 in allen deutschen Medien Hochkonjunktur. Mit unserem großartigen Verteidigungsminister Boris Pistorius ist etwas Ruhe in die Debatte eingekehrt.
08.06.2024
Mein Leserbrief im Fehmarnschen Tageblatt zum Angriffskrieg auf die Ukraine
Bettina Hagedorn nach Delegationsreise in die Ukraine: Ampel-Koalition beschließt 22 Millionen Euro für 1.000 zusätzliche Notstromaggregate und den Aufbau einer Prothesenwerkstatt in Lviv
Mit Andrij Sadovyj, dem Bürgermeister von Lviv, in der Ukraine (Fotos: Büro Hagedorn)
Delegation des Haushaltsausschusses währen des Besuchs im Rathaus von Lviv mit ihren Gastgebern
Wir fühlten uns sicher - war es doch ein zeitlich begrenzter Besuch im Bunker. Wir konnten in ein friedliches Land zurückfahren.
Vom 23. bis 27. Oktober 2022 war die SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina
Hagedorn mit vier Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen aus dem
Haushaltsausschuss gemeinsam auf Delegationsreise in der Ukraine, in
Moldawien und Polen. Unter diesem Eindruck vor allem der Gespräche in Lviv
(Lemberg) mit dessen Bürgermeister Andrij Sadovyj und seinem Team hat
Bettina Hagedorn zusammen mit ihren Kolleg*innen von FDP und Grünen jetzt
in der „Bereinigungssitzung“ – also der Schlussabstimmung im Haushaltsausschuss zum Bundeshaushalt 2023 – eine zusätzliche
Unterstützung von insgesamt 22 Millionen Euro für spezielle Projekte in Lviv
und anderen der vom Krieg schwer betroffenen Kommunen beschlossen.
Bettina Hagedorn freut sich über diese dringend notwendige Hilfe für die
Menschen in Lviv und in weiteren Kommunen – auch in ihrer Funktion als
stellvertretende Haushaltsausschussvorsitzende: „Die Not in der Ukraine ist
unvorstellbar groß, aber der Mut und die Entschlossenheit der Verantwortlichen wie Bürgermeister Andrij Sadovyj in Lviv und dessen Unterstützer-Team ist es auch. Uns hat die Tatkraft, die Professionalität, der Pragmatismus und der unerschütterliche Optimismus tief beeindruckt, der bei allen Menschen vor Ort zu spüren ist. Niemand will sich ‚unterkriegen lassen‘, obwohl auch in Lviv die kritische Infrastruktur von russischen Raketen getroffen worden ist und Strom schon stundenweise abgeschaltet werden muss. Während unseres Besuches in Lviv gab es gleich vier Mal Luftalarm und zwang uns unsere Besprechungen im Luftschutzbunker bei Batterie-Licht abzuhalten bis die Entwarnung kam.
Die größte Sorge der Bürgermeister ist natürlich die Kälte des nahenden Winters und wie sie für die Menschen Strom, Heizung und fließend Wasser sicherstellen können. Auf einer ‚Winter-Wunschliste‘ der Kommunen stehen deshalb leistungsstarke Notstromaggregate ganz oben. Ich bin darum wirklich erleichtert, dass der Haushaltsausschuss auf unsere Initiative jetzt zusätzlich 1.000 Dieselgeneratoren für 12 Millionen Euro beschlossen hat, die zeitnah in die Ukraine geliefert werden können.
Präsident Steinmeier und Präsident Selenskyj, die nur einen Tag vor unseren Gesprächen in Lviv gemeinsam die Schirmherrschaft für Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und der Ukraine zwecks konkreter Hilfsmaßnahmen übernommen hatten, werden sich über genau solche, sehr konkreten Hilfen für die Menschen sehr freuen.
Wir dürfen in Deutschland einfach nicht vergessen, dass bei uns zwar auch eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen sind – aber in der Ukraine selbst gibt es im Krieg über 9 Millionen Binnenflüchtlinge und 4 Millionen Flüchtlinge haben seit Kriegsbeginn allein die Stadt Lviv mit seinen 720.000 Einwohnern erreicht und dort vorübergehend Zuflucht gesucht. Was das für die Bürgermeister und ihre Helfer-Teams in diesen Städten bedeutet, können sich viele bei uns gar nicht vorstellen.
Weitere 10 Mio. Euro hat der Haushaltsausschuss heute gezielt für die Unterstützung eines im Aufbau befindlichen Krankenhauses in Lviv beschlossen, für das noch viel Ausstattung und medizinisches Spezialgerät benötigt wird. Außerdem wird jetzt mit diesem Geld die Initiative „UNBROKEN“ vom Haushaltsausschuss unterstützt, mit der der Aufbau einer Prothesen-Werkstatt der Rehabilitationsklinik (UNBROKEN rehabilitation center) in Lviv finanziert wird. Lviv will eine Klinik aufbauen, in der für die Kriegsverletzten Prothesen hergestellt werden können, um ihnen wieder Lebensqualität zu ermöglichen. Wir fünf deutschen Abgeordnete waren tief beeindruckt von diesen Projekten und wollen mit dem heutigen Beschluss im Haushaltsausschuss auch ein Zeichen der Solidarität setzen!“
Trotz des Krieges konnte die Delegation des Haushaltsausschusses außerdem eine Berufsschule besuchen, die sich auch um die berufliche Integration und psychosoziale Betreuung von jungen Binnenflüchtlingen kümmert, sowie das Kinder- und Sozialzentrum „Spilno“, wo von UNICEF die Kinder von über 150 geflüchteten Frauen betreut werden, die mit ihren Kindern im VIP-Bereich eines großen Fußballstadions auf Matratzen untergebracht sind und dort psychosoziale und medizinische Hilfe erhalten. Alle besuchten Projekte werden von Deutschland unterstützt – teils durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (GIZ), teils durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und teils durch Förderung von UN-Organisationen oder NGOs.
Neben dem Besuch in der Ukraine informierte sich die Delegation auch in ausführlichen Gesprächen mit Parlament, Regierung und der Präsidentin der Republik Moldau in Chisinau sowie im Süden Polens – sowohl die Republik Moldau wie auch das südliche Polen entlang der Grenze zur Ukraine haben im Vergleich zu allen anderen Ländern Europas mit Abstand am meisten Flüchtlinge aufgenommen, während Moldawien gleichzeitig das ärmste Land in Europa ist.
Dieser Dank rührt mich
Freitag, 11. November 2022: die Dankeschön-Antwort des Bürgermeisters von Lviv Andrij Sadowyj - ich bin immer noch gerührt. Es macht mich wirklich glücklich, diesen tollen, tatkräftigen Menschen in ihrer so schwierigen Situation wenigstens etwas helfen zu können. Da kommen unsere Beschlüsse bei den richtigen an und unterstützen deren unglaublichen Einsatz für die Zivilbevölkerung.
"Unbroken" - Gespräch mit dem Bürgermeister von Lviv in der Ukraine über sein Hilfsprojekt
Es ist Mittwochmittag, 26. Oktober 2022 und wir haben ein ausführliches Gespräch im Rathaus von Lviv mit dem beeindruckenden Bürgermeister Andrij Sadowyj und seinem Team. Sie sind es, die seit über acht Monaten mit ungeheurer Kraft und Professionalität, mit Organisationstalent, Mut und angetrieben von sprühendem Optimismus den Bürgerinnen und Bürgern in der Region und Millionen Binnenvertriebenen ein Leben in Hoffnung ermöglichen.
„Unbroken“ ist das Motto ihrer Aktionen, mit denen sie Krankenhäuser aufbauen und ausstatten, verstümmelten Opfern Prothesen ermöglichen wollen oder vergewaltigten Frauen und ihren Kindern Zuflucht und Schutz bieten. Der Bürgermeister vertraut auf weitere Hilfe durch die GIZ und Deutschland. Das kann er! Wir werden diese großartigen Menschen weiter mit ganzer Kraft unterstützen.
Fotos: Büro Hagedorn
Bewegende Video-Ansprache des Ukrainischen Präsidenten Selenskyj vor dem Deutschen Parlament
Während der Sondersitzung des Deutschen Bundestags am 17.03.2022.
Die "Friedenstaube" ist mittlerweile für 8050 Euro versteigert worden. Mit dem Geld wird Ukrainer:innen geholfen.
17.03.2022
Bewegende Ansprache durch den Ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit einem eindringlichen Appell heute Morgen, 17. März 2022, um 9 Uhr im Deutschen Bundestag. Die täglichen Bilder des verbrecherischen Angriffskrieges von Putin auf die Ukraine mit unfassbaren mutwilligen Anschlägen auf Frauen und Kinder, auf Alte und Hilflose, auf Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Theater und Wohnblocks machen wütend. Wir tun alles, um den Krieg so schnell zu beenden wie nur irgend möglich, ohne Putin zu weiterer Eskalation zu provozieren.
25.04.2022: Während der Sitzung hatten wir Abgeordneten die "Friedenstaube" unterzeichnet. Ihre Versteigerung erbrachte 8050 Euro für geflüchtete Ukrainer:innen in Polen. Wer den Betrag mit aufstocken möchte, der kann das A2-Plakat über [email protected] beziehen.
Bilder: Büro Hagedorn
25.04.2022: Das Plakat mit den Unterzeichner:innen ist über [email protected] zu beziehen.
Altkanzler Gerhard Schröder sollte Ämter in russischen Gremien niederlegen
07.03.2022
"Der Altkanzler Gerhard Schröder muss ALLE Ämter in russischen Gremien niederlegen (und das schon seit langem, spätestens seit dem 24.2.22!). Es ist beschämend, dass er das nicht längst getan hat. Er MUSS es sofort tun. WENN er das NICHT tut, dann unterstütze ich ein Parteiausschlussverfahren, das aber leider mehrere Jahre dauern wird und darum nicht die überzeugendste Lösung wäre, sondern nur das letzte (!) Mittel, wenn er nicht zur Vernunft kommt."
Mein Statement vom 2. März 2022 zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine
Mit Niels Annen, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung während der Sondersitzung des Bundestages am 27. Februar 2022 (Foto: Büro Hagedorn).
02.03.2022:
Der 24. Februar 2022 wird künftig immer als eine fundamentale Zeitenwende nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit im Gedächtnis bleiben: mit dem 1. Angriffskrieg in Europa seit dem Überfall von Hitler auf Polen 1939 hat Putin sämtliche internationalen Verträge und das Völkerrecht gebrochen, was jahrzehntelang Frieden in Europa gesichert hat. Trotz der 8 Jahre kriegerischer Auseinandersetzung in den Ostprovinzen der Ukraine seit 2014 haben selbst die größten Pessimisten nicht erwartet, dass Putin die Ukraine als friedliebendes, souveränes Nachbarland großflächig militärisch angreift und damit de facto Kriegsverbrechen auch gerade an der Zivilbevölkerung begeht. Hunderttausenden Flüchtlingen und Frauen und Kindern, Gebrechlichen und Alten, die Schutz in Kellern und U-Bahnhöfen suchen, drohen Lebensgefahr und eine dauerhafte Traumatisierung.
Die Bilder und Nachrichten aus der Ukraine entsetzen uns in unserer Hilflosigkeit und schockieren mit ihrer Brutalität. Ich bin tief beeindruckt von dem Mut und dem Widerstandsgeist der Ukrainer ebenso wie von den Russen, die sich aktuell öffentlich gegen Putin stellen und sich für den sofortigen Truppenrückzug einsetzen – damit gehen sie ein hohes persönliches Risiko ein – Ihnen allen gilt unsere volle Solidarität und Unterstützung. Der Krieg gegen die Ukraine ist allein Putins Krieg, bei dem er offensichtlich plante, quasi „im Handstreich“ die Ukraine insgesamt und speziell Kiew einzunehmen, um die demokratisch gewählte Regierung durch einen russlandtreuen Machtapparat zu ersetzen. Dass ihm das bisher nicht gelang, ist allein dem Mut der Regierung von Präsident Selenskyj und seinem Rückhalt in der gesamten Bevölkerung zu verdanken, die für Freiheit und Demokratie kämpfen. Für diesen Kampf und aus Respekt vor dem Recht auf Selbstverteidigung der Ukrainer ist es auch richtig, dass die Bundesrepublik der Ukraine in dieser Situation Waffen zur Verteidigung liefert.
Sanktionen gegen russische Eliten
Wichtig ist, dass Deutschland in voller Übereinstimmung aller europäischen Staaten und eng abgestimmt mit unter anderem den USA, Kanada, Großbritannien und Japan die schärfsten Sanktionen gegenüber Russland verhängt hat, die jemals verhängt worden sind – weitere Sanktionen könnten folgen. Diese Sanktionen sind extrem schnell sofort nach dem Angriff Putins auf die Ukraine verhängt worden und zielen speziell auf Putin und seine politische Elite, auf die Oligarchen-Clique und die russische Wirtschaft sowie auf die russischen Banken ab, um hoffentlich durch diesen Druck auf die Führungsspitze, Putin zum Einlenken, zum Stopp des Krieges und an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Diese Sanktionen sind nicht gegen die russische Bevölkerung gerichtet, aber natürlich wird auch die Zivilgesellschaft indirekt betroffen sein. Wir sind beeindruckt von dem Mut der Menschen in Russland, die gegen den Angriffskrieg von Putin protestieren und dabei persönlich sehr viel riskieren. Je mehr Menschen in Russland sich an diesem zivilen Ungehorsam beteiligen, umso geringer ist die Gefahr dabei für den Einzelnen und umso stärker ist der Druck auf Putin zum Kursschwenk.
Lügen und Propaganda
Derzeit erfährt die russische Bevölkerung zunehmend über die sozialen Netzwerke, dass Putin – entgegen der eigenen Propaganda – einen Angriffskrieg ohne jegliche Provokation gegen das ukrainische Volk führt, mit dem sich viele Menschen in Russland eng und persönlich verbunden sehen. Schon jetzt gibt es viele Opfer sowohl bei den Ukrainern wie auch bei den russischen Soldaten, die überwiegend nicht einmal wussten, dass sie in diesen Krieg gegen die eigenen Nachbarn geschickt werden sollten.
Putin hat seine eigenen Soldaten und sein eigenes Volk massiv belogen – in den Staatsmedien werden quasi nur Fake News und Lügen verbreitet, die aber über die sozialen Netzwerke auch in Russland aufgedeckt werden. Viele Russen äußern Scham und Entsetzen über das aggressive und verbrecherische Vorgehen ihres aktuellen Regimes.
"Dieser Krieg hat nur Verlierer"
Ich hoffe sehr, dass die Unterstützung durch die russische Zivilbevölkerung und durch die Oligarchen-Clique auf Grund der Folgen der Sanktionen für Putin massiv schwindet und ihn zum Kurswechsel zwingt. Der Krieg ist natürlich eine Katastrophe vor allem für die Menschen in der Ukraine, aber auch für die Menschen in Russland selbst und für Europa wird es zu sehr negativen Auswirkungen kommen. Dieser Krieg hat NUR Verlierer.
Natürlich wird die NATO keine Soldaten in die Ukraine schicken, denn – da die Ukraine nicht Nato-Mitglied ist – gibt es auch keinen Nato-Bündnisfall. Jedes direkte Eingreifen der NATO würde Putin zu weiteren Aggressionen provozieren – seine bisherigen öffentlichen Äußerungen sind derartig irrational, dass man sogar seine Drohgebärde als Atommacht ernst nehmen muss. Insofern bleibt uns in Europa und der NATO nur die Stärkung der Selbstverteidigung der Ukrainer durch defensive Waffenlieferungen, die Hoffnung auf die Kraft der massiven Sanktionen, die noch verstärkt werden könnten, sowie die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung und die unbürokratische Aufnahme und Unterstützung für die Hunderttausenden von Flüchtlingen. Glücklicherweise war Europa in seiner gesamten Geschichte in diesen Fragen noch nie so einig wie heute.
Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz gab seine Regierungserklärung während der Sondersitzung des Bundestages am Sonntag, 27. Februar 2022, ab (Mit einem Klick geht es zur Rede bei Youtube, Quelle: Phoenix). Anlass war der Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022.
Der Entschließungsantrag
Der Bundestag stimmte am Sonntag, 27. Februar 2022 dem Entschließungsantrag 20/846 mit den Fraktionen von SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP und CDU / CSU zu. Damit verurteilen die Abgeordneten der genannten Fraktionen den Angriffskrieg gegen die Ukraine und sprechen sich unter anderem für den Erhalt der Europäischen Friedensordnung aus: " Die russische Führung ist in unverantwortlicher Weise nicht auf Gesprächsangebote eingegangen und hat den Weg der militärischen Aggression gewählt."
Der Bundestag fordert die Bundesregierung darin auch auf, mit der internationalen Gemeinschaft mit allen diplomatischen Mitteln auch
weiterhin auf die russische Regierung einzuwirken, internationale Abkommen wie die Charta der Vereinten Nationen und die Schlussakte von Helsinki zu befolgen. Denn diese Regelwerke und Verträge hat auch Russland unterzeichnet.
Welche Sanktionen wurden am 26. Februar 2022 in Brüssel beschlossen?
03.03.2022:
Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben extrem schnell die schärfsten Sanktionen gegenüber Russland verhängt, die jemals verhängt worden sind, und sie behalten sich noch weitere Sanktionen vor. Wichtig ist, dass Deutschland und Europa in voller Übereinstimmung und eng abgestimmt auch mit weiteren westlichen Partnern handelt wie unter anderem den USA, Kanada, Großbritannien und Japan.
Diese Sanktionen zielen speziell auf Putin und seine politische Elite, auf die Oligarchen-Clique und die russische Wirtschaft sowie auf die russischen Banken ab, um hoffentlich durch diesen Druck auf die Führungsspitze, Putin zum Einlenken, zum Stopp des Krieges und an den Verhandlungstisch zu zwingen. Diese Sanktionen sind nicht gegen die russische Bevölkerung gerichtet, aber natürlich wird auch die Zivilgesellschaft indirekt stark betroffen sein.
Im Bereich des Finanzsektors haben wir 70 Prozent des russischen Bankenmarktes und wichtige staatliche Unternehmen – auch im Verteidigungsbereich – von den wichtigsten Kapitalmärkten abgeschnitten. Zusätzlich schließen wir wichtige russische Banken vom Banken-Kommunikationsnetz SWIFT aus. Transaktionen der russischen Zentralbank sind untersagt – damit wird die Nutzung eines großen Teils der Währungsreserven Russlands zur Stabilisierung des Rubel-Wechselkurses und zur Stützung von in Schieflage geratenen Banken und Unternehmen verhindert. Allein in der letzten Woche haben russische Börsenwerte um über 30 Prozent nachgegeben – was zeigt, dass die Sanktionen wirken. Im Bereich des Energiesektors sind insbesondere Exportverbote für Spezialtechnologie verhängt worden, die es Russland unmöglich machen, unter anderem seine Ölraffinerien zu modernisieren. Im Industriesektor wird der Zugang Russlands zu wichtigen Technologien wie Halbleitern oder modernster Software beschränkt.
Im Transportsektor ist der Verkauf von Flugzeugen und Ausrüstung an russische Fluggesellschaften verboten. Der Luftraum ist zunächst für drei Monate für russische Flugzeuge gesperrt – das gilt nicht nur in Deutschland und Europa, sondern mittlerweile unter anderem auch in den USA. Im Bereich der Visavergabe verlieren Diplomaten und verwandte Gruppen sowie Geschäftsleute ihren privilegierten Zugang zu allen EU-Staaten.
Handelsembargo
Die Verhängung eines Handelsembargos ist wesentlich komplexer, warum es bisher auch kein Handelsembargo gegen Russland gibt, obwohl es mit dem 24. Februar 2022 und dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine eine absolute Zeitenwende für Europa und weltweit gibt. Als Bundestagsabgeordnete kann ich keinen Einfluss darauf nehmen, ob ein Handelsembargo verhängt wird, denn das ist KEINE Entscheidung, die im Deutschen Bundestag quasi im nationalen „Alleingang“ gefällt werden könnte. Entscheidungen zu unseren Handelsbeziehungen in und mit Europa entscheidet allein die Europäische Union, da diese politischen Entscheidungen zu Handelsverträgen alle EU-Staaten auf die Ebene in Brüssel übertragen haben, so dass die EU-Kommission und der Europäische Rat allein zuständig sind (Artikel 206 des Vertrages der Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV). Wenn die materiellen Voraussetzungen des Völkerrechts (Art. 206, 207 und 215 AEUV) erfüllt sind, kann ein Handelsembargo NUR durch den Rat der Europäischen Union verhängt werden, weil alle EU-Mitgliedstaaten an die gemeinsame Handelspolitik gebunden sind (Art. 206 AEUV). Für die Einführung eines umfassenden Handelsembargos wäre auch ein einstimmiger Beschluss nach Titel V Kapitel 2 EUV erforderlich, weshalb die Verhängung eines Handelsembargos eben wesentlich komplexer ist als es sofortige Sanktionen sind.
100 Milliarden Euro für die Bundeswehr aus einem Sondervermögen
Foto: studio kohlmeier berlin
03.03.2022
Am 27. Februar 2022 hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Zusage gemacht, dass Deutschland mit dem Bundeshaushalt 2022, der am 16. März im Kabinett beschlossen wird, ein zusätzliches „Sondervermögen Bundeswehr“ im Umfang von 100 Milliarden Euro errichten wird. Dazu brauchen wir als „Ampel-Fraktionen“ die Unterstützung der CDU/CSU, weil dieses Sondervermögen angesichts der Schuldenbremse über unser Grundgesetz abgesichert werden muss. Diese Zusage von Bundeskanzler Scholz hat international stärkste Beachtung gefunden.
Waffenlieferungen
In den vergangenen 40 Jahren wurde der Verteidigungshaushalt mehrfach reduziert. Den größten „Kahlschlag“ erlebte der Etat der Bundeswehr zwischen 2009 und 2013, als Verteidigungsminister zu Guttenberg es zuließ, dass dort – sage und schreibe – 8 Mrd. Euro GEKÜRZT wurden. In den letzten vier Jahren wurden die Ausgaben für die Bundeswehr hingegen von einem Finanzminister Olaf Scholz von circa 38 auf 50 Mrd. Euro pro Jahr gesteigert.
Wir Sozialdemokraten sehen eine Aufrüstung zwar kritisch (Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wollte u. a. vor vier Jahren einen Flugzeugträger beschaffen!!!), aber haben uns schon immer in Verantwortung für unsere Soldatinnen und Soldaten für eine moderne und zuverlässige AUS-Rüstung eingesetzt. Und genau darum geht es jetzt: eine bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät, mehr Personal – das kostet alles viel Geld und dafür werden wir jetzt ein Sondervermögen Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro ausstatten. Wir tun dies auch für uns, für unsere eigene Sicherheit in Deutschland und in Europa.
Sondersitzung des Bundestages wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine
Wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine kam der Bundestag am Sonntag, 27. Februar 2022 außer der Reihe zusammen.
Bundeskanzler Olaf Scholz gab eine Regierungserklärung ab (Fotos: Büro Hagedorn).
Seine Exzellenz der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk erhielt von den Abgeordneten lang anhaltenden Applaus.
28.02.2022
Sondersitzung des Bundestages am Sonntag, 27. Februar: Wir haben eine wichtige, klare und bewegende Debatte zu Putins Angriffskrieg auf die Ukraine geführt. Die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz war großartig … wer sie nachlesen und sehen möchte, findet sie auf bundesregierung.de.
In der folgenden Abstimmung bekannten sich die Abgeordneten von SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP und CDU / CSU zur Ukraine, verurteilten den Einmarsch russischer Truppen als "eklatanten Bruch des Völkerrechts" und sprachen sich vollständig für den Erhalt der Europäischen Friedensordnung aus.
Die genannten Fraktionen verstehen das Streben der Ukrainerinnen und Ukrainer nach Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung als ein Menschenrecht. Im vorgelegten Entschließungsantrag 20/846 heißt es weiter: "Niemand habe das Recht, die Ukraine mit militärischer Gewalt an diesem Weg zu hindern. Der Einsatz der Ukrainerinnen und Ukrainer für unsere gemeinsamen, europäischen Werte und Prinzipien auf und seit dem Euromaidan 2013/2014 war und ist beispiellos."