Impfdebatte Coronavirus

Dreistündige Orientierungsdebatte zur möglichen Einführung einer Impfpflicht im Bundestag am 26. Januar 2022 

Die Debatte am Mittwoch, 26. Januar 2022, im Bundestag über eine mögliche SARS-CoV-2-Impfpflicht (Fotos: Büro Hagedorn).

Bei einer Orientierungsdebatte argumentieren die Redner*innen nach ihrer persönlichen Ansicht (ohne Fraktionszwang).

28.01.2022

Am Mittwoch, 26. Januar, hat der Deutsche Bundestag in einer „Orientierungsdebatte“ – wie es bei Abstimmungen in ethischen Fragen ohne Fraktionsdisziplin im Deutschen Bundestag üblich ist – zum Thema „allgemeine Impfpflicht“ frei diskutiert und damit die Entscheidungsphase über mindestens drei unterschiedliche „Gruppenanträge“ von Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen „eingeläutet“. Ich halte eine Entscheidung des Bundestages – vermutlich nach einer öffentlichen Anhörung mit Sachverständigen und Experten – im März 2022 für möglich. Fakt ist: die mögliche Einführung einer allgemeinen Impfpflicht wird nicht etwa diskutiert, um die aktuell explodierenden Infektionszahlen der Omikron-Variante zu bekämpfen – dazu wäre es zu spät. Eine deutlich höhere Impfquote in Deutschland als aktuell soll aber verhindern, dass uns im kommenden Herbst eine künftige „Corona-Welle“ (mit möglicherweise neuen Virus-Mutationen) nicht erneut so unvorbereitet trifft wie im Herbst 2021. Ich empfehle sehr, diese dreistündige Orientierungsdebatte anzuschauen, die für mich erneut eine „Sternstunde des Parlaments“ war und in der Mediathek des Deutschen Bundestages anzusehen ist. Auf Wunsch übersende ich auch gern das stenographische Protokoll dieser Debatte per Mail an Interessierte. 

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnet die Debatte (der Klick aufs Bild öffnet das Video in der Bundestagsmediathek).

28.01.2022

Meine persönlichen Gründe für die Impfung gegen SARS-CoV-2 


Was bewegt mich bei dieser Debatte ganz persönlich? Als ich Ende Juni 2021 meine zweite Impfung mit Moderna (nach der Erstimpfung im April mit AstraZeneca) erhielt, war ich erleichtert, ab jetzt für meine Familie und Enkelkinder sowie alle gefährdeten Personen eine geringere „Ansteckungsgefahr“ zu sein, und dankbar, mich damit selbst vor einem sehr schweren Krankheitsverlauf erfolgreich geschützt zu haben. Seit Anfang Dezember bin ich (mit Biontech) geboostert und habe alle drei Impfungen sehr gut vertragen – wie auch übrigens meine Kinder und Schwiegerkinder, Freunde und Mitarbeiter*innen. Mein nur vier Jahre älterer Bruder hat sich Weihnachten 2020 mit Corona infiziert, kam sieben Tage später mit Atemnot ins Krankenhaus und starb knapp drei Wochen später nach über zwei Wochen Intubation auf der Intensivstation an Corona mit 69 Jahren – für ihn kam die Zulassung des Corona-Impfstoffs leider zu spät. Meine 13-jährige Enkeltochter erkrankte im Oktober an einer lebensbedrohlichen Auto-Immunerkrankung, lag wochenlang auf der Intensivstation und konnte erst nach 12 Wochen auf die Intensivstation einer Reha-Einrichtung gebracht werden, wo sie aktuell betreut wird – sie gehört damit auf jeden Fall zu den „besonders vulnerablen Gruppen“ in unserer Gesellschaft, die vor einer Ansteckung besonders geschützt werden müssen. 

Ich bin dankbar dafür, dass alle vollständig geimpften Menschen die Ansteckungsgefahr – auch für meine kranke Enkeltochter – erheblich mindern und würde mir wünschen, dass viele, viele Menschen, die noch ungeimpft sind, sich solidarisch zeigen und nun endlich freiwillig (!) impfen lassen. Es sieht aktuell aber leider nicht danach aus, dass wir dieses Ziel in Deutschland allein mit Appellen und Argumenten erreichen können. 

Über eine „allgemeine Impfpflicht“ diskutieren wir in Deutschland doch nur deswegen, weil die Impfquote bei uns (Stand 25.01.2021 vollständig Geimpfte) mit 73,3 Prozent leider nicht einmal ansatzweise so hoch ist wie z. B. in Spanien mit 80,3%, in Dänemark mit 80,8% und in Portugal sogar mit 89,1 %. Unstrittig ist: eine Impfpflicht – gerade zum Schutz der Kinder und Jugendlichen sowie der vulnerablen Gruppen – kann nur „ultima ratio“ sein, nachdem es nicht gelungen ist, die freiwillige Bereitschaft in der Bevölkerung zur Impfung bis hin zum vollständigen Boostern kurzfristig massiv zu erhöhen. Der Ethikrat hat seine Einschätzungen zur allgemeinen verbindlichen Impfpflicht zum Jahresende erarbeitet und den Bundestagsabgeordneten am 7. Januar 2022 schriftlich übersandt – diese Stellungnahme fließt in die parlamentarische Debatte in Berlin ein. 

In der Debatte im Bundestag am 26. Januar wurde zu Recht von verschiedenen Abgeordneten darauf verwiesen, dass es keinesfalls bei Ausbruch der Pandemie und der verhängten 1. Lock-Down-Maßnahmen im März 2020  vorhersehbar war, dass nur 10 Monate später sichere, geprüfte und zugelassene Impfstoffe zur Verfügung stehen würden – seit Sommer 2021 in Deutschland unbeschränkt für jeden und jede. Wann immer die Menschheit in ihrer Geschichte von einer Pandemie heimgesucht wurde – es wäre stets als ein Segen empfunden worden, wenn es zeitnah wirksame Impfstoffe gegeben hätte, die es allerdings regelmäßig nicht gab. Darum empfinde ich es uneingeschränkt als ein PRIVILEG, dass wir in Deutschland allen sichere Impfstoffe zum Schutz anbieten können und kann kaum nachvollziehen, warum wir nicht dankbar sind für ein RECHT auf eine Impfung und stattdessen über eine Impfpflicht diskutieren müssen. Nach meiner festen Überzeugung gibt es keinen wirksameren Weg aus der Corona-Pandemie als das Impfen. Schon am 23. Dezember 2021  erschien im „Ostholsteiner Anzeiger“ (SHZ-Verlag) ein sehr differenziertes  Interview mit mir unter der Überschrift „Plädoyer für die Impfung“, das mein Büro gerne auf Wunsch Interessierten zuschickt.

Fraktionsübergreifende Anträge als Basis der Gewissensentscheidung 


Tatsache ist, dass die Bundesregierung bereits mit Beginn der öffentlichen Debatte zur Einführung einer Allgemeinen Impfpflicht im November öffentlich klar gestellt hat, dass ein solcher Gesetzesvorschlag NICHT vom Kabinett vorgeschlagen werden wird, sondern – wie bei „Gewissensentscheidungen“ ohne Fraktionszwang im Parlament üblich – aus der Mitte des Parlamentes sogenannte  „Gruppenanträge“ auf Initiative von verschiedenen Fachpolitikern der fünf demokratischen Fraktionen entwickelt werden. Traditionell beginnt das parlamentarische Verfahren im Bundestag bei Gewissensentscheidungen mit einer ersten „Orientierungsdebatte“ im Deutschen Bundestag, wo frei diskutiert wird, und die eine Orientierung darüber geben soll, welche Anträge mit welchen Kerninhalten gerade interfraktionell erarbeitet und in Kürze Grundlage der Beratung, Expertenanhörung und letztlich Abstimmung sein werden – diese „Orientierungsdebatte“ fand nun am 26. Januar im Bundestag ab 15 Uhr drei Stunden lang statt und wurde auch „live“ auf Phönix übertragen.  In der Mediathek des Deutschen Bundestages kann sie außerdem nachgeschaut werden.

Wann eine 1. und später eine 2./3. Lesung zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht im Parlament geführt werden kann, entscheiden alle Fraktionen im möglichst breiten parteiübergreifenden Konsens im Ältestenrat, sobald alle unterschiedlichen Gruppen-Anträge tatsächlich vorliegen – bislang liegen zwei Anträge vor (einer gegen und einer für eine allgemeine Impfpflicht ab dem 18. Lebensjahr), ein dritter („Allgemeine Impfpflicht ab 50 Jahren“) wird noch erarbeitet. Die Anträge wenden sich eben nicht nur FÜR oder GEGEN eine allgemeine Impfpflicht, sondern unterscheiden sich auch in wichtigen Details wie z. B. die Altersgruppen und Altersgrenzen für eine mögliche Impfpflicht.  

Zur Erinnerung: bereits vor mehreren Wochen haben die 16 Bundesländer mit der Bundesregierung über eine mögliche Impfpflicht diskutiert, wobei es tatsächlich auch Befürworter unter den Ländern (mit Blick auf die Schulen) gab, die eine Impfpflicht nicht erst ab dem 18. Lebensjahr, sondern bereits ab dem 12. Lebensjahr für erforderlich hielten, was ich persönlich allerdings nicht befürworte – in den vorliegenden Gruppenanträgen im Bundestag gibt es nur solche, die eine Impfpflicht für erwachsene Personen vorsehen. Weil dieses Thema zugleich komplex und hochsensibel ist, wird es sicherlich nach der „Orientierungsdebatte“  auch eine Expertenanhörung von Vertretern aus Wissenschaft, Ethik, Kinderschutz- und Jugendverbänden sowie den Ländern geben – insbesondere mit Blick auf die Betroffenheit von Kindern und Jugendlichen in Kitas und Schulen. Ich werde mich im Detail mit meiner Haltung zur Impfpflicht erst dann öffentlich äußern, wenn alle Gruppenanträge vorliegen und bereits in Expertenanhörungen offen diskutiert und von mir ernsthaft bewertet werden konnten. In jedem Fall werde ich mich deutlich VOR einer freien Abstimmung über ein Gesetz im Bundestag öffentlich mit meiner Entscheidung bekennen – auch hier auf meiner Homepage.


Für mich ist das Impfen nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern auch eine des Respekts gegenüber den Menschen, die seit fast zwei Jahren – oft über ihre Kräfte hinaus – in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen arbeiten, um Menschenleben zu retten. Und es ist eine Frage der Solidarität mit all jenen, die unter den Folgen der Corona-Pandemie besonders leiden: Unsere Kinder und Jugendlichen und all jene Berufsgruppen, die in der Pandemie nicht etwa im Home-Office arbeiten konnten, sondern unsere Gesellschaft „am Laufen“ hielten und halten wie z. B. die Menschen im Einzelhandel, die LKW- und Busfahrer*innen, die Pflege- und Reinigungskräfte, die Pädagogen in Krippen, Kitas, Schulen und Einrichtungen für Menschen mit Handicap.

Durchs Impfen erneute "Berufsverbote" im Veranstaltungssektor vermeiden

Wer sich impfen lässt, beweist auch mit denjenigen Solidarität, die durch die Pandemie quasi bis zum Sommer 2021 über 16 Monate mit einem „Berufsverbot“ belegt waren und es jetzt durch die neue Mutationsvarianten schon bald wieder sein könnten: Unsere Künstler*innen und Kulturschaffenden sowie die vielen anderen, die als Ton- und Lichttechniker, als Bühnenbauer oder Dienstleister in der Veranstaltungsbranche häufig als Solo-Selbstständige ihr Geld verdient haben, die in ihrer Existenz bedroht sind und deren Schaffen uns als Publikum so sehr fehlt. Auch diesen Berufsgruppen hilft in Wahrheit nur eine massiv steigende Bereitschaft der Menschen sich impfen zu lassen.
 

Zur Klarstellung: In Deutschland wird ein Impfstoff NUR dann zugelassen, wenn er alle drei Phasen des klinischen Studienprogramms erfolgreich bestanden hat und nationale und internationale Qualitätsstandards vollständig erfüllt, was die unabhängige „Ständige Impfkommission“ überwacht und alle Studien zu Auswirkungen wissenschaftlich auswertet. Wir dürfen auf die Qualität der in Deutschland genutzten Impfstoffe uneingeschränkt vertrauen, nachdem Millionen Menschen in Deutschland – und Milliarden weltweit – in den letzten 12 Monaten mit diesen Impfstoffen erfolgreich immunisiert und geschützt wurden. Ich freue mich über jeden und jede, die sich – vielleicht auch erst jetzt erstmalig – zur Impfung entschließen. Es ist natürlich IMMER besser, wenn dieser wichtige Schritt FREIWILLIG geschieht. Ich hoffe darauf.

Pflegebeauftrage der Bundesregierung Claudia Moll wirbt für die Impfpflicht

Am 18. Juni 2021 lud ich zur Diskussionsveranstaltung „Applaus und jetzt? Was sich in der Pflegebranche ändern muss!“ in das AMEOS Klinikum Neustadt in Holstein ein. Als meine Gäste waren zwei starke Powerfrauen aus der Praxis mit dabei: die SPD-Bundestagskollegin und Mitglied im Gesundheitsausschuss Claudia Moll, die als examinierte Altenpflegerin 30 Jahre Berufserfahrung hat, und die Direktorin der Pflegehäuser/AMEOS Christina Grahl. 
Claudia Moll ist in der neuen Ampel-Regierung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur Pflegebeauftragten der Bundesregierung ernannt worden - diese Personalentscheidung freut mich sehr!

In Ihrer neuen Funktion hat sich Claudia Moll für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Sie sei lange Zeit einer solchen Pflicht gegenüber sehr skeptisch gewesen, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd)  in Berlin. Aber als Pflegebevollmächtigte spüre sie Druck von beiden Seiten, von den Befürwortern einer Impfpflicht und von den Gegnern. Doch angesichts der aktuell hohen und weiter steigenden Infektionszahlen sehe sie in einer Impfpflicht einen Weg, aus der Pandemie herauszukommen. 

Ihr vollständiges Statement können Sie hier nachlesen: